Unkategorisiert

Native Ads: ist das Schleichwerbung 3.0?

Written by Joachim Dreher

10 Oktober 2018

Share

Das wohl spannendste Native Ads-Produkt wird derzeit vom britischen Softwareunternehmen Mirriad  angeboten. Dessen – inzwischen oscarprämierte – Video-Technologie „Mirriad In-Video Advertising“ ist in der Lage, Markenwerbung in Videos und Filme einbauen – und zwar nachträglich. RTL hat damit etwa bei der Serie „Alarm für Cobra 11“ experimentiert. Eine Szene zeigte zum Beispiel den Dialog der beiden Helden vor einer Brücke neben ihrem Auto. An der Brücke war, wie man es seit Jahrzehnten von der Formel 1 kennt, ein Werbebanner für eine Automarke angebracht – nur, dass in der ursprünglich gedrehten Szene nie ein Werbeplakat für die Automarke am Brückengeländer befestigt war. Mit der Technologie von Mirriad wurde – Zauber, Zauber – das Werbedisplay einfach nachträglich in die Szene integriert.

Schleichwerbung?! Dieser böse Begriff mag einem beim Mirriad-Beispiel sofort in den Sinn kommen. „Native Ads“ klingt da doch viel eleganter. Aber sind Native Ads tatsächlich unrechtmäßiges Product Placement, oder nicht? Das letztere jedenfalls ist im Rundfunkstaatsvertrag eindeutiger geregelt als manchem Media- und Influencer-Berater lieb sein mag. Der ernste Hintergrund: den Medien kommt eine besondere Funktion als „Wächter der Demokratie“ zu, und sie wurden in der Vergangenheit gerne als „vierte Staatsgewalt“ bezeichnet. Das scheint angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich Social Media und der Fake-News-Vorwürfe gegen Medien leider ins Hintertreffen zu geraten. Deshalb kurz fürs Protokoll: Medien dürfen Werbung platzieren und sich dafür bezahlen lassen, doch die Werbung muss klar erkennbar und deutlich von redaktionellen Inhalten getrennt sein. Schleichwerbung ist die Erwähnung von Produkten oder Marken in Medieninhalten, die nicht deutlich gekennzeichnet sind und daher Mediennutzer in die Irre führen können. Geregelt ist das alles im Rundfunkstaatsvertrag (in der letztgültigen Version vom 1.4.2010) und im Telemediengesetz. Die jüngste Fassung versucht jedoch mit zusätzlichen Ausnahmeregelungen für Produktplatzierungen der sich durch die Digitalisierung immer stärker wandelnden Medienlandschaft Rechnung zu tragen.

Doch zugegeben, was fürs Privatfernsehen bei einem entsprechenden Hinweis erlaubt wird, und „in der Regel“ fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen verboten ist – wird spätestens bei der nächsten Wiederholung eines James-Bond-Films wieder durchbrochen. Gut in Erinnerung dürften auch die Schleichwerbungsvorwürfe gegen den früheren Unterhaltungsschlachtkreuzer des ZDF „Wetten, dass..?“ sein, den der Deutsche Rat für Public Relation (DRPR) zurecht gerügt hatte.

Natürlich gilt dies alles nicht nur fürs (lineare) Fernsehen, sondern auch Influencer geraten mit ihren YouTube- und Instagram-Posts regelmäßig ins Visier des Landesmedienanstalten (für Beispiele reicht es, das Suchwort „Schleichwerbung“ auf der Homepage von Meedia einzugeben). Influencer, vor allem jene, die sich selber gerne als Amateure sehen (und trotzdem die Hand aufhalten), „vergessen“ schon mal die Kennzeichnungspflicht.

Wir bei Berkeley organisieren allerdings kaum große TV-Shows oder produzieren TV-Serien – doch für Print- und eher textlich orientierte Online-Medien gelten die Regeln ebenso. Ganz eindeutig sind wir für die Trennung von Werbung und Redaktion! Im Web gibt es nun bereits einige Native Ad-Angebote – und starkes Interesse an diesem „Werbeformat“, wie die Internet World Business im September (Print: 18/18, S. 20) konstatiert und leicht euphemistisch mit „Unauffällige Anzeigen“ titelt.

Ganz flugs haben offenbar Bannervermarkter Native Ads für sich abonniert, und Social Media Agenturen wollen ihre Influencer unter diesem Label vermitteln. Das mag alles rechtens sein – genauso wie wir zum Beispiel ohne zu zögern ein Advertorial für unsere Kunden schreiben und dieses gegen Bezahlung bei einer Fachzeitschrift „schalten“ oder „platzieren“ – Worte, die ich jedem unserer jungen PR-Berater verbiete, in den Mund zu nehmen!

Was bleibt unterm Strich bei Native Ads? Nennen Sie es, wie Sie wollen: der Unterschied ist paid oder earned. Anzeigen, Advertorials und von mir aus auch Native Ads sind „paid“, und sie müssen als solche erkennbar, beziehungsweise klar gekennzeichnet sein.  In der PR pflegen wir als Kerndisziplin die Media Relations und deren Ergebnis sind „earned“-Artikel. In diesen Artikeln erwähnen Journalisten unsere Kunden, und dies ohne Bezahlung, wenn dies dem Leser dienlich und unter Umständen sogar zwingend erforderlich ist. Wir bauen beides gerne in unsere Kampagnen ein. Bei „paid“ ist es vor allem wichtig, dass „Formate, wie Artikelempfehlungen oder Videos eher als Mehrwert wahrgenommen denn als störend empfunden werden“, wie Wolfgang Bscheid von Mediascale im erwähnten Artikel der Internet World Business völlig richtig sagt.

Aufmacherbild: Fabien Bazanegue auf Unsplash

Bild im Beitrag: Mirriad Case, Coca Cola bei RTL