Humans of Berkeley

Humans of Berkeley – Piet van Reeuwijk

Written by Piet van Reeuwijk

1 August 2024

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Ich habe für den größten Fachzeitschriftenverlag der Niederlande gearbeitet und bin dann zu einer dynamischen Kommunikationsagentur in Amsterdam gewechselt. Dafür gab es viele Gründe, aber der wichtigste war, dass mein zukünftiger Chef zu mir sagte: „So ein spießiger Verlag ist nichts für dich, komm her und wir machen einen Berater aus dir, du kannst das“. Damals hatte ich wirklich keine Ahnung, aber er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Meine Kindheit

Meine Familie stammt aus dem ostholländischen Wageningen und die beinahe deutsche Kultur war perfekt für mich. Doch dann führte uns die Arbeit meines Vaters nach Lelystad, einer Stadt, die durch Landgewinnung am IJsselmeer entstehen konnte. Diese neugeborene Planstadt war ein soziales Experiment mit Vierteln im Schachbrettmuster und Straßen, die keine Namen, sondern Nummern hatten. Es war eine Stadt in einer unwirtlichen Einöde, die genau drei wertvolle Dinge besaß: erstaunliche kulturelle und soziale Unterschiede, eine raue Natur und eine fantastische öffentliche Bibliothek. Ich glaube, ich habe jedes Buch dort gelesen…

In der Schule war ich gut in den MINT-Fächern Mathe, Physik und Chemie – also habe ich in diese Richtung studiert. Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich ein gutes Sprachgefühl und Ausdrucksvermögen habe – wahrscheinlich dank der Langeweile in Lelystad und der großen Bibliothek – und dass Sprache ein mächtiges Werkzeug für den Komiker und Lehrer in mir war.

Also ging ich zu Edelman. Einer meiner Chefs sagte einmal: „Wer nicht schreiben kann, kann auch nicht beraten“. Dieser Satz stieß auf Resonanz in mir und brachte mich zu der Erkenntnis: „Und wer nicht liest, kann nicht schreiben“.

Ein Startup an den Start bringen

Irgendwann verließ ich den sicheren Agenturhafen, um für ein Start-up-Unternehmen im Herzen von Amsterdam zu arbeiten. Ein junger Internet-Provider. Do-it-yourself lautete hier die Devise und um Geld zu sparen (oder um genug für die Gehälter zu haben) verlegten wir die UTP-Kabel der Kategorie 5 für das Ethernet-Netzwerk selbst durch das Gebäude. Die allererste Internetverbindung für 3.000 Journalisten aus aller Welt beim Europäischen Rat in Amsterdam 1997? Das waren wir. Dreißig T-Shirts und eine einzigartige transatlantische Verbindung zum Internet-Hub MAE-East in den USA. Als wir zu wachsen begannen, verkauften die Gründer die Firma  – an ein nationales Telekommunikationsunternehmen. Das war für uns der Auslöser, kollektiv zu gehen. Glücklicherweise hatten viele von uns gerade genug Anteile erhalten, um ihre eigenen Unternehmen zu gründen.

Mein Geschäftspartner gründeten eine Kommunikationsagentur, die sich auf B2B-Kommunikation und PR für Technologieunternehmen spezialisiert hat. Oder besser gesagt: für alle, die versuchen, etwas zu verkaufen, das schwer zu verstehen ist und dessen Attraktivität zunächst freigelegt werden muss. Wir waren stolz darauf, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen und deren Kern herauszuarbeiten und so zum Erfolg unserer Kunden beizutragen.

Unermüdlich haben wir rund um die vier P des Marketing-Mix  gearbeitet, Markenbotschaften aufgebaut, Krisenszenarien entwickelt, an Positionierungen gearbeitet und vielen Kunden erklärt, dass die Welt „nach dem iPhone“ und mit dem rasanten technologischen Fortschritt nie mehr dieselbe sein würde. Das gilt natürlich genauso für heute und unserer gegenwärtigen Zukunft mit KI. Doch wichtig ist mir hervorzustellen, dass für uns die Geschichten im Vordergrund stehen. Denn es sind die Geschichten,  die die Welt bewegen – nicht die Spezifikationen, sondern das Warum. Nicht die Pixel, sondern das unbezahlbare Bild, das sie erzeugen.

Geschichten und Wissenschaft

Geschichten begleiten die Menschen seit Urbeginn. Geschichten in Bildern an Höhlenwänden, des nachts erzählte Geschichten am Lagerfeuer. Geschichten, die lehren, verbinden, unterhalten, aufklären und überzeugen, die schmeicheln, verletzen, zur Diskussion anregen, schockieren oder verzaubern. Geschichten, die ein Lächeln oder Tränen, eine wichtige Entscheidung oder eine herzliche Umarmung hervorrufen.

Doch dann kam die Wissenschaft und erklärte uns die Welt. Erklärt, dass wir nicht verliebt sind, sondern auf Signale von Botenstoffen reagieren. Dass die technischen Eigenschaften einer bestimmten Automarke vorteilhafter sind als die einer anderen, so dass wir diese wählen sollen, auch wenn wir dabei keine Glücksgefühle empfinden.

Ich freue mich sehr, dass neueste Erkenntnisse der Markenkommunikation uns lehren, den Fokus auf Worte, Sätze und Bilder zu lenken, um Menschen auch auf ihrer emotionalen Ebene und dadurch ganzheitlich anzusprechen. Wir leben in einem wirtschaftlichen und sozialen Ökosystem, in dem alles miteinander verbunden ist und nichts ohne das andere existieren kann. Politik und Kommunikation beeinflussen sich gegenseitig. Hierin liegt die Bedeutung des Storytelling, einer hohen Kunst, die wir zu vergessen begonnen haben: die Macht der Worte und der Phantasie, um die richtigen Bilder zu malen.

Geschichten erzählen ist die Stärke von Berkeley. Nicht nur für unsere Kunden, sondern auch um die Menschen, die bei Berkeley arbeiten zu leiten. Ich fühle mich bei Berkeley zu Hause. Und in meiner Heimatstadt Wageningen hat man inzwischen auch verstanden, wie wichtig die richtigen Bilder und Geschichten sind: In Wageningen gibt es seit einem Jahrhundert die beste Agraruniversität der Welt, die die Niederlande zum zweitgrößten Agrarexporteur der Welt gemacht hat. Doch niemand wusste es, bis endlich die richtigen Worte dafür gefunden wurden: Foodvalley. Und für diesen Namen haben wir in der Zwischenzeit viele Auszeichnungen gewonnen.

Wer ist Dein Lieblingsautor? Die Gebrüder Grimm. Viele Märchen sind Grundlage von Disney-Storytelling – aus alt mach neu!

Was würdest Du bei einem Karaoke-Abend singen? Niederländisch: Malle Babbe von Rob de Nijs. Ein Kunde singt über eine Dame, die ihren Lebensunterhalt mit dem ältesten Gewerbe der Welt verdient, aber im Gegensatz zu den anderen liebt er sie wirklich. Heuchelei und eine verdrehte Moral, von der man weiß, dass sie wie ein Bumerang zurückkommt – köstlich.

Was ist die am meisten genutzte App auf deinem Handy? Ich lese meine Print-Zeitungen, am liebsten Het Financieele Dagblad und google. Außerdem chatte ich über WhatsApp mit meinen Kindern.