Agenturleben
Die Tücken der Kommunikation und des Zuhörens
Als PR-Schaffende gehören Kommunikation und aufmerksames Zuhören zu unserem Daily Business. Wir kommunizieren – untereinander, mit unseren Kunden und natürlich: für unsere Kunden. Informationen und Nachrichten wollen auf den verschiedensten Kommunikations-Kanälen und Arten in die Welt gebracht werden. Diese Artikel, Pressemeldungen, Newsflashes, Social Media Snippets, Twitter-Schnipsel und so weiter sollen Resonanz schaffen und möglichst viele und vor allem die richtigen Menschen erreichen.
In diesem Wust der – ich nenne es jetzt mal – Makro-Kommunikation war es mir ein Bedürfnis, mein Augenmerk mal wieder auf die Mikro-Kommunikation, also den direkten Austausch von Mensch zu Mensch, zu lenken.
Nicht zuletzt in Zeiten von Corona und Verschwörungstheorien lohnt es sich sicher, mal wieder genauer hinzuschauen, wie wir Human Beings so ticken, wie wir miteinander sprechen und uns zuhören – und wie wir möglicherweise mehr Einklang schaffen, wenn wir uns einiger grundlegender Zusammenhänge bewusst werden.
Warum gelingt Kommunikation oft nicht?
Was macht Kommunikation zwischen Menschen eigentlich aus? Wie kann sie funktionieren? Und warum funktioniert sie oft nicht? Über dieses unerschöpfliche Thema haben sich viele Kommunikationswissenschaftler, Psychologen und Sozialwissenschaftler Gedanken gemacht und Modelle entwickelt. Die bekanntesten dieser Kommunikationsmodelle möchte ich im Folgenden kurz vorstellen.
Das Kommunikationsmodell von Paul Watzlawick
Die wohl bekannteste Kommunikationstheorie ist die von Paul Watzlawick. Watzlawick beschreibt mit seinen fünf Axiomen (Grundsätzen) systematisch die Ursachen dafür, warum zwischenmenschliche Konflikte entstehen. Watzlawick möchte damit erklären, wie eng unsere sprachliche Kommunikation mit Beziehungen und Emotionen verbunden ist.
Erstes Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren. Denn jedes Verhalten, das an den Tag gelegt wird, sendet eine Botschaft an die Umgebung.
Zweites Axiom: Eine Nachricht hat eine Inhalts- und immer auch eine Beziehungsseite. Die Beziehungsseite der Kommunikation bestimmt, wie der Inhalt gesendet und empfangen wird.
Drittes Axiom: Kommunikation beruht auf einem Wechselspiel aus Aktion und Reaktion. Kommunikation besteht immer aus einer Ursache, dem Reiz, und ihrer Wirkung. Jemand tut etwas, das Gegenüber reagiert darauf. Das kann auch eskalieren und zu einem Hin und Her von gegenseitigen Vorwürfen werden.
Viertes Axiom: Menschliche Kommunikation kann digital (ohne Interpretationsspielraum) und analog (mit Interpretationsspielraum) erfolgen. Watzlawick versteht unter analoger Kommunikation alle nichtsprachlichen Elemente, also auch Mimik oder Gestik. Wenn digital kommuniziert wird, ist die Bedeutung der übermittelten Zeichen eindeutig. Es gibt bei der Entschlüsselung der Botschaft kaum Spielraum.
Fünftes Axiom: Die Kommunikation kann symmetrisch oder komplementär sein. Bei einer symmetrischen Kommunikation befinden sich die Kommunikationspartner auf Augenhöhe. Die Kommunikation ist durch Gleichheit geprägt (z. B. Vertragsverhandlung unter Geschäftspartnern).
Das Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun
Ähnlich bekannt ist das Vier-Ohren-Modell (auch Vier-Seiten-Modell, Nachrichtenquadrat oder Kommunikationsquadrat genannt) von Friedemann Schulz von Thun, das auf der Grundlage von Watzlawicks Modell weiterentwickelt wurde. Durch dieses Modell lässt sich Kommunikation beschreiben, die durch Missverständnisse gestört ist.
Beispiel:
Ein Paar sitzt im Auto und wartet an einer roten Ampel. Sie sitzt am Steuer. Als die Ampel umschaltet, bemerkt er: „Es ist grün“. Sie antwortet: „Bist du Fahrer oder ich?“
Die Äußerung des Mannes kann auf den vier Ebenen unterschiedlich gedeutet werden: als Hinweis darauf, dass die Ampel umgeschaltet hat (Sachebene), als Aufforderung zum Weiterfahren (Appellebene), als Demonstration der eigenen Überlegenheit (Beziehungsebene) oder als Hinweis auf die Ungeduld des Mannes, weil er unter Zeitdruck steht (Selbstkundgabeebene).
Das Kommunikationsmodell Eisberg nach Sigmund Freud
Das ähnlich bekannte Eisberg-Kommunikationsmodell nach Sigmund Freud überträgt die (Un)Sichtbarkeit des Eisbergs auf die menschliche Kommunikation: bei einem Eisberg ist lediglich ein kleiner Teil, nämlich etwa 20 %, sichtbar. Die anderen 80 %, der weitaus größere Teil des Eisberges also, befinden sich dagegen verborgen unter der Wasseroberfläche.
Genauso verhält es sich mit der menschlichen Kommunikation, bei der es laut Freud eine sichtbare und eine unsichtbare Ebene gibt. Nur ein Bruchteil einer Botschaft (die Sachebene) wird also direkt wahrgenommen. Die restlichen 80 Prozent (die Beziehungsebene) liegen unter der Oberfläche. Störungen auf der einen Ebene wirken sich auch auf die andere Ebene aus. So kann ein sachliches Gespräch schnell zur Konfliktsituation werden.
Am Rande bemerkt: Der Eisberg dient uns übrigens auch als Modell für unser Storytelling – wie mein Kollege Patrick hier anschaulich beschrieben hat.
Kommunikationsmodell Transaktionsanalyse von Eric Berne
Ein weiteres – möglicherweise etwas weniger bekanntes, doch recht aufschlussreiches Kommunikationsmodell liefert die Transaktionsanalyse. Das Modell der Transaktionsanalyse (auch eine Richtung in der Psychotherapie) wurde von dem amerikanischen Psychiater Eric Berne entwickelt. Die Transaktionsanalyse dient dazu, Persönlichkeitsstrukturen zu entschlüsseln, Bewusstheit und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Berne geht davon aus, dass jeder Mensch aus unterschiedlichen Erlebniszuständen heraus agieren kann. Diese Zustände werden bereits in der Kindheit entwickelt und können grundlegend in drei Kategorien eingeordnet werden: das Eltern-Ich (EL), das Erwachsenen-Ich (ER) und das Kind-Ich (K). Die Kommunikation (oder Transaktion, wie sie in der Transaktionsanalyse genannt wird) zwischen zwei Menschen kann auf unterschiedlichen Wegen stattfinden.
Benutzen beide den selben Kanal, also von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich, bezeichnet man die Kommunikation als parallele Transaktion. Diese erfolgt meist konfliktfrei.
Erfolgt die Kommunikation zwischen zwei ungleichen Ich-Zuständen, wird sie als gekreuzte Transaktion bezeichnet. Sie ist oft von Konflikten belastet. Dieser Zustand kann nur geändert werden, indem einer der beiden Kommunikationspartner eine andere Ich-Ebene einnimmt.
Bei einer verdeckten Transaktion fällt die Entscheidung über den weiteren Verlauf des Gesprächs auf der psychologischen (verdeckten) und nicht auf der sozialen Ebene. Es werden zwei Botschaften gleichzeitig übermittelt: eine offene Botschaft beziehungsweise eine Botschaft auf der psychologischen Ebene. Bei verdeckten Transaktionen ist immer die verdeckte Ebene die entscheidende.
Zuhören geht so oder so
An dieser Stelle meines Beitrags möchte ich unbedingt noch darauf hinweisen, wie aufschlussreich es ist, sich auch mal damit zu beschäftigen, wie wir eigentlich zuhören. Wie ich finde ein großer Augenöffner! Otto Scharmer – Begründer der ‚Theorie U‘ hat hier eine sehr interessante Analyse vorgelegt. Er unterscheidet 4 Arten des Zuhörens:
Zuhören durch Downloaden.
Wenn wir routinemäßig zuhören, so hören wir nur das, was wir schon kennen oder wissen, was übereinstimmt mit unseren Urteilen. Alle unsere Erfahrungen, Erlebnisse und Urteile sind abgespeichert auf unserer „Festplatte“, die wir in diesem Modus „abrufen“. „Ach ja, dass kenne ich auch!“ oder „Ach ja, das habe ich auch schon erlebt“. Oft erzählt der Zuhörer dann seine Geschichte. Diese Art des Zuhörens geschieht reflexartig und routineartig.
Faktisches Zuhören.
Bei dieser Art des Zuhörens liegt der Fokus auf wissenswerten Fakten oder Sichtweisen, die ich noch nicht kenne. Ich bewege mich an den Rand meiner „Festplatte“, bin offen in meinen Fragen, neugierig und will mir einen Überblick verschaffen. Ich bin mit meiner Aufmerksamkeit ganz bei der faktischen Außenwelt. Diese Form des Zuhörens ist elementar, um beispielsweise das Geschäftsmodell, Produkte, Ideen unserer Kunden zu verstehen.
Empathisches Zuhören. Faktisches Zuhören und Zuhören durch Downloaden begegnet uns viel im Alltag. Will man empathisch zuhören, muss man sich anstrengen, denn dafür muss ich aus meinem Referenzrahmen (der Kreis in der Darstellung) heraustreten, mich voll und ganz in die Situation des Gegenübers versetzen. Wenn ich erahne was die Person bewegt, bevor sie es in Worte fasst, höre ich empathisch zu, bin ich im echten, einfühlenden Kontakt.
Generatives/ Schöpferisches Zuhören.
Diese Form des Zuhörens ist uns weniger bekannt. Meine Aufmerksamkeit ist ganz auf das hier und jetzt fokussiert (Ich-im-Jetzt) und richte mein Ohr an das Bestmögliche, Zukünftige, was sich im Gegenüber entfalten will. Durch diese Ebene des Zuhörens erschaffe ich ganz neue Möglichkeiten beim Anderen. Dem Gegenüber können zum Beispiel neue Gedanken oder Perspektiven kommen. Diese Art von Gesprächen bleiben uns lange in Erinnerung, weil sich durch das Gespräch etwas in uns verändert hat, was wir aber oft noch nicht genau benennen können. Es ist im Entstehen, diesem Entstehen gebe ich Hilfestellung durch diese Art des Zuhörens, bei der ich meinen Willen öffne für das Wesen (den Kern) des Gegenüber.
Was bringen uns Kommunikationsmodelle?
Kommunikation, also der zwischenmenschliche Austausch von Informationen jeglicher Art auf unterschiedlichen Wegen, passiert in jedem Moment überall auf der Welt. Misslingt sie, führt es unweigerlich zu Konflikten im Großen wie im Kleinen. Gäbe es die vollkommen transparente und neutrale Kommunikation, gehörten Missverständnisse, unbeabsichtigte Kränkungen und Verletzungen der Vergangenheit an. Sich also die Tücken und Fallen aber auch das große Potential von Kommunikation zu vergegenwärtigen, bringt uns weiter, hilft uns Konflikte zu vermeiden, zu lösen und ermöglicht Innovationen. Wer erfolgreich kommunizieren und verstanden werden will, ist gut beraten, immer wieder mit sich selbst ins Gespräch zu gehen, nach innen zu hören und sich zum Beispiel immer wieder mal zu fragen, mit welchem Ohr man gerade hört, auf welcher Ich-Ebene man gerade handelt, was man durch seine Körperhaltung möglicherweise gerade ausdrückt oder wie man gerade zuhört.
Solche kleinen – um das Buzzword doch noch einzustreuen – Achtsamkeits-Reflektionen sind für jeden Menschen aufschlussreich – für uns Kommunikatoren sicherlich ein besonders erkenntnisreicher Spiegel, in den wir immer mal wieder schauen sollten, bevor wir wieder ins Business der Makro-Kommunikation abtauchen.
Titelbild: Christin Hume on Unsplash
Beitragsbilder:
Joseph Mucira auf Pixabay