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Threads – ein Testbericht aus dem Berkeley-UK-Office
Ein Blog-Beitrag unseres britischen Kollegen James Ash, der Threads bereits unter die Lupe genommen hat:
Erstes Geständnis: Ich liebe Twitter. Trotz all seiner Fehler und der jüngsten Kontroverse seit der Übernahme der Microblogging-Website und -App durch Elon Musk nutze ich Twitter mit Hingabe. Ich bin süchtig danach, mich mit anderen über meinen Lieblingssport auszutauschen oder mich über aktuelle Nachrichten tiefer zu informieren. Ich habe das große Glück, über Twitter enge Freundschaften geschlossen zu haben und ich glaube nicht, dass ich dem Dienst den Rücken kehren könnte, es sei denn, jeder Nutzer würde gezwungen, für den Zugang zu zahlen.
Zweites Geständnis: Ich habe mich bei Threads angemeldet – dem neuen Twitter-Konkurrenten von Meta. Sobald ich die Möglichkeit hatte, mich über mein Instagram-Konto für diese neue App zu registrieren, habe ich es getan. Jetzt, da Threads erst seit weniger als einer Woche verfügbar ist, kann ich sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zum Twitter-Erlebnis feststellen. Ich dachte, dieser Blog wäre eine gute Gelegenheit, um meine ersten Eindrücke von Threads zu schildern.
Die schlechte Nachricht für Threads ist, dass die Hauptunterschiede zwischen den beiden Plattformen meiner Meinung nach eher Unannehmlichkeiten für die Gesamtnutzererfahrung sind als vergleichbare Vorteile.
Verloren in der Zeit
Eine der Hauptbeschwerden sowohl von mir als auch von vielen frühen Nutzern von Threads ist, dass es derzeit keine Möglichkeit gibt, die Beiträge einfach in chronologischer Reihenfolge anzuzeigen. Die Zeitleiste auf der Startseite ist ziemlich willkürlich, und die Beiträge, die man angezeigt bekommt, basieren ganz grob auf den eigenen Interessen, abgeleitet von den eigenen Instagram-Aktivitäten.
Die Beiträge folgen keinerlei Ordnung und häufig sind es Themen, die bereits vor mehreren Stunden oder sogar Tagen gepostet wurden. Dies entspricht der Funktionsweise von Instagram, ist aber nicht unbedingt geeignet, um Diskussionen in einer App zu führen, in der Menschen ihre unmittelbaren Gedanken teilen und auf relativ schnelle Antworten hoffen. Außerdem können die Nutzer nicht nach bestimmten Begriffen in den Beiträgen suchen, obwohl die App Hashtags unterstützt. Das macht es sehr schwierig, Beiträge zu den eigenen Interessen zu finden.
O Follower, wo bist du?
Ein weiterer Grund für Frustration ist das Fehlen einer Möglichkeit, Beiträge von Personen, denen man folgt, nur zu lesen. Es gibt einfach keine Option „Folgen“ wie bei Twitter. Die Zeitleiste ist, wie bereits erwähnt, mit Beiträgen von Konten zugemüllt, denen man gar nicht folgen möchte. Die Threads-App zeigt nicht einmal an, ob es sich um einen „vorgeschlagenen“ Beitrag handelt, wie es bei Instagram der Fall ist. Das macht das Scrollen sehr mühsam – so mühsam, dass ich ehrlich gesagt nach kurzer Zeit erstmal aufgegeben habe und die App für ein paar Stunden habe ruhen lassen.
Da das Layout von Threads dem von Twitter ähnelt, öffnet man die App in der Erwartung eines ähnlichen Benutzererlebnisses. Dies ist jedoch noch nicht der Fall. Threads behauptet, mehr als 100 Millionen „Nutzer“ zu haben, was zum Zeitpunkt dieses Blogposts einfach nicht stimmt. Es mag viele Menschen geben, die sich zwar über ihre Instagram-Konten registriert haben, aber meines Wissens nach, ist die Zahl der Nutzer, die aktiv und regelmäßig posten, vergleichsweise gering. Das kann sich im Laufe der Zeit ändern, doch aktuell sieht es so aus, als würden die Nutzer mit Beiträgen von Konten überschwemmt, denen sie nicht folgen.
Warum sollte Sie das interessieren?
Letztlich geht es mir um den Datenschutz und die Datensicherheit. Die Anmeldung bei Threads kann nur über ein bestehendes Instagram-Konto erfolgen. Aber Achtung: möchte man sein Threads-Konto wieder löschen, so verliert man seinen Instagram-Account. In meinen Augen eine hinterhältige Vorgehensweise von Meta, um Ihre persönlichen Daten zu behalten. Man sollte sich also gut überlegen, ob und welche Informationen man durch die Anmeldung preisgeben möchte.
Die Tatsache, dass Threads zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund der GDPR-Vorschriften nicht in Europa, sondern nur in den USA und im Vereinigten Königreich verfügbar ist, stellt eine riesige Einschränkung dar – ein weltweiter Austausch ist so unmöglich.
Fazit
Social-Media-Manager oder Content-Schaffende sollten meiner Ansicht nach besser noch ein bisschen abwarten, bis einige meiner Bedenken ausgeräumt sind. Der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz sind für viele Unternehmen nicht verhandelbar; und die Investition von Zeit und Ressourcen in Social-Media-Plattformen kann kostspielig sein, vor allem dann, wenn sich daraus kein Engagement entwickelt.
Ich bin gespannt, wie Threads sich in den kommenden Wochen entwickelt und angepasst wird. Bei bereits 100 Millionen registrierten Nutzern wäre es kurzsichtig von Meta, nicht auf die Ideen der Nutzer zu hören, um seine neueste App besser zu machen.
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Dass das Zuckerberg-Imperium Interesse daran hat Threads twitter-artig auszubauen, bezweifelt zumindest der von Berkeley Kommunikation gerne gelesene Netzökonomist Holger Schmidt, dessen Einschätzung wir an dieser Stelle gerne mit Ihnen teilen möchten. Wir dürfen gespannt sein!