Agenturleben
Visual Storytelling. JR: Chronicles – ein Ausstellungstipp für München
Wenn wir Geschichten lesen oder hören, entstehen Bilder in unseren Köpfen. Je besser erzählt, je besser das Handwerkzeug guten Storytellings beherrscht wird, desto klarer werden unsere Bilder, wacher unser Interesse, tiefer unser Eintauchen in die Geschichte oder das Thema und größer die Resonanz in uns. Doch oft ist es auch anders. Wir lassen uns von Bildern fesseln und tauchen in die Geschichten ein, die sie erzählen. Einer der Meister der Zeit im Visual Storytelling ist der französische Fotograf und Streetart-Künstler JR, dessen beeindruckende Retrospektive J:R Chronicles noch bis zum 15. Januar 2023 in der Kunsthalle München zu erleben ist.
Als Schreiberling einer PR-Agentur, die sich rund um die Uhr mit Storytelling befasst und Kunden dabei berät und begleitet, wie sie ihre jeweilige Unternehmensgeschichte möglichst nachhaltig erzählen und ihre (Marken-)Botschaft herausarbeiten, halte ich Augen und Ohren immer offen, wenn es um Geschichten und das Thema Kommunikation geht. So konnte es nicht anders sein, dass ich mitsamt Kind und Kegel in der multimedialen Ausstellung JR: Chronicles gelandet – und für mehrere Stunden in ein Meer aus Bildern eingetaucht – bin.
Fotografien und Pastings, die Geschichten erzählen und zur Kommunikation zwingen
Die Geschichten, die der 1983 geborene Künstler mit seinen Werken erzählt, sollen unseren Blick auf die Welt verändern. Sein Anliegen ist es, Grenzen zu überwinden und Brücken zwischen den Menschen zu bauen, Menschen miteinander in Kommunikation und Kontakt zu bringen. Seine Ausstellungsorte sind eigentlich die Straßen dieser Welt.
Dort erregt er auch Aufmerksamkeit bei jenen, die sonst keine Museen besuchen. Berühmt wurde JR durch Fotografien unbekannter Personen, die er in zum Teil monumentalen Formaten auf Häuserfronten, Eisenbahnzüge, Containerschiffe oder Grenzmauern plakatiert. Im Fokus stehen oft Menschen, deren Würde und Rechte übergangen werden. Ihnen verleiht JR mit seiner Kunst auf ebenso scharfsinnige wie einfühlsame Weise Sichtbarkeit; seine Bildsprache erzählt ihre Geschichten – er ist ein wahrer Storyteller. Mit seiner Art Storytelling möchte JR keine Antworten vorgeben, sondern vielmehr Fragen aufwerfen und die Menschen zum Dialog anregen.
Das ist ihm gelungen. Wer Lust hat, im wahrsten Sinne des Wortes unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und sich mit den Fragen und Geschichten der Welt zu beschäftigen, sollte die beeindruckende Ausstellung nicht verpassen.
Titelbild
JR (geb. in Frankreich, 1983)
Giants, Kikito and the Border Patrol, Tecate, Mexico–U.S.A., 2017
Installationsansicht. Wheat-paste Poster.
© JR-ART.NET