Storytelling
Warum die ständige „Erfolgsfeierei“ auf LinkedIn problematisch ist – und wie man sich professionell und authentisch präsentiert
LinkedIn ist zum „herkömmlichen Social Media“ verkommen – voll verzerrter Eigendarstellungen der eigenen „Erfolge“. Mit einem erfolgreichen Profiling haben inzwischen die wenigsten Posts zu tun.
In den vergangenen Jahren hat LinkedIn als berufliches Netzwerk eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht – in den vergangenen Monaten ist die Plattform eher zu einem herkömmlichen Social-Media-Kanal verkommen. Während LinkedIn ursprünglich als rein geschäftlich und karriereorientiert galt, werden heute viele Posts zu persönlichen Erlebnissen geteilt. An persönlichen Einblicken ist nichts falsch – don‘t get me wrong, allerdings: Wenn täglich eine zunehmende Zahl an Posts, in denen Menschen selbst kleinste Alltagsaufgaben als Erfolge feiern und daraus „Learnings“ für die Arbeit ableiten, gespült werden, dann hat das Auswirkungen auf die Leser. Auf den ersten Blick mag all das harmlos erscheinen, allerdings ergibt sich daraus auch eine gewisse Problematik.

Verzerrte Darstellung von Erfolg
Problematisch bei dieser Art der Selbstinszenierung ist die Verzerrung des Erfolgsbegriffs. In vielen Posts wird das, was in der Realität kleine oder eher unspektakuläre Erledigungen sind – etwa das Verfassen eines Berichts zu großen „Erfolgen“ hochstilisiert. Was dabei häufig vergessen wird: Erfolg ist nicht nur das, was nach außen sichtbar gemacht wird. Es sind auch die unsichtbaren Momente, die nicht ständig geteilt werden. Es entsteht der Eindruck, dass Erfolg nur aus kleinen, direkten Erfolgen besteht und nicht durch kontinuierliche Arbeit, Fehlschläge und lange, oft unspektakuläre Lernprozesse geprägt ist.
Die Gefahr hierbei ist, dass sich andere unter Druck gesetzt fühlen, dies genauso zu erreichen. Dies ist kaum in der Realität möglich, so dass sie selbst wiederum ihre eigenen Erlebnisse genauso „erfolgreich“ darstellen – was in der Regel zu einer zunehmend unrealistischen und oberflächlichen Darstellung von Erfolg führt. Ein Teufelskreis also.
Selbstinszenierung und die Gefahr von Vergleichen und Unzufriedenheit
Es ist nur menschlich, dass Menschen ihre Erfolge teilen möchten – das ist völlig in Ordnung und bei wichtigen Erfolgen auch gewünscht. Man darf sich ruhig mal selbst feiern. Doch wenn diese Selbstinszenierungen zu häufig, zu aufgeblasen oder zu flach daher kommen, kann es schnell als unauthentisch oder gar als reine Eigenwerbung wahrgenommen werden.
LinkedIn lebt von der Vernetzung und dem Austausch von wertvollen Erfahrungen. Wenn jedoch jeder Post darauf abzielt, die eigene Leistung ins Rampenlicht zu stellen, verliert der Post seinen Mehrwert. Im schlimmsten Fall wird es zu einer Plattform für egozentrische Profilierung, die wenig zu echter Zusammenarbeit oder Wissensaustausch beiträgt.
Weiterhin ist es problematisch, dass sich andere ständig mit den scheinbar „erfolgreichen“ Beiträgen messen. So wird LinkedIn schnell zu einem Wettbewerb, in dem derjenige oder diejenige gewinnt, der oder die am meisten „Erfolge“ postet. Dies kann zu Unzufriedenheit und einem verzerrten Selbstbild führen. Dabei sollten wir uns bewusst machen, dass der wahre Erfolg nicht in der Zahl der geteilten Posts oder der Menge der „Likes“ gemessen werden kann, sondern in der Qualität unserer Arbeit und der langfristigen Entwicklung unserer Karriere, während wir eine gesunde Work-Life-Balance erhalten.
Private Erfolge als „Lernmomente“ im Arbeitskontext oder: LinkedIn Flex
Kommen wir zu meinen Favorite-Hate-Posts. In den vergangenen Monaten ist es zunehmend populär geworden, auch private Erlebnisse und Aktivitäten als „Lernmomente“ für den beruflichen Kontext zu deuten und auf LinkedIn zu teilen wie „Letztes Wochenende war ich endlich erfolgreich und habe Berg x bezwungen. Dabei wurde mit klar, dass die Wanderung einem Sales-Pitch ähnelt. Hier sind meine Learnings“ oder „Gestern war ich beim Konzert meiner Lieblings-Indie-Band, die erstmalig in einer größeren Location gespielt hat. Das sind meine 10 Learnings für mein Projekt-Management.“

All das mag zunächst als eine clevere Möglichkeit erscheinen, persönliche Erlebnisse mit der beruflichen Welt zu verknüpfen, allerdings verwischen zum einen die Grenzen zwischen persönlicher und beruflicher Sphäre und zum anderen wirken viele Posts einfach an den Haaren herbeigezogen und unprofessionell und wir als wenig relevant wahrgenommen.
Obwohl es in der Tat Überschneidungen zwischen persönlichen und beruflichen Eigenschaften geben kann, wie etwa Selbstdisziplin oder dem Wunsch nach kontinuierlicher Weiterentwicklung, fehlt hier oft die Tiefe, die ein tatsächliches berufliches Learning ausmacht. Ein solcher Ansatz könnte von Followern und Kollegen als aufgesetzt und wenig authentisch wahrgenommen werden, was die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt und in extremen Fällen sogar zu einer Entfremdung führen kann.
Und: Das Internet wäre nicht das Internet, wenn Menschen für dieses Verhalten beziehungsweise diese Art von Selbstdarstellung nicht bereits einen eigenen Begriff erfunden hätten: Linkedin Flex. Dabei handelt es sich um ein Wortspiel aus „Linkedin“ und „Flexing“ von Muskeln, das Bodybuilder selbstverliebt vor Spiegeln betreiben 😉
LinkedIn als Plattform für echte Kommunikation nutzen
LinkedIn bietet enormes Potenzial für den Austausch von Wissen und Erfahrungen, jedoch nur, wenn wir die Plattform bewusst und authentisch nutzen. Anstatt jede noch so kleine Aufgabe als „Erfolg“ zu feiern, sollten wir den Fokus auf echten Mehrwert, transparente Kommunikation und einen respektvollen Umgang miteinander legen. Authentisches Profiling bedeutet, ehrlich über unsere Erfolge und Misserfolge zu sprechen, den Lernprozess zu betonen und vor allem ein Netzwerk zu schaffen, das auf echtem Austausch und langfristigem Wachstum basiert – und nicht auf oberflächlichen Erfolgsmeldungen.
Letztlich kommt es darauf an, dass wir LinkedIn als die professionelle Plattform nutzen, die es ist: Als Ort des Dialogs, des Wissens und der Vernetzung, an dem Menschen durch echte Erfahrungen voneinander lernen können.
Wie man sich professionell und authentisch auf LinkedIn präsentiert – Profiling aus Kommunikationsperspektive
- Qualität statt Quantität: Es geht nicht darum, jeden Tag eine kleine Erledigung als „Erfolg“ zu feiern, sondern gezielt und mit Mehrwert zu teilen, was wirklich relevant ist. Ein gut durchdachter, wertvoller Beitrag kann mehr bewirken als eine tägliche Sammlung von kleineren Erfolgen, die kaum einen Mehrwert bieten.
- Echtheit und Transparenz statt Selbstinszenierung: Authentizität wird auf LinkedIn zunehmend wichtiger. Statt sich hinter perfekt inszenierten Erfolgen zu verstecken, sollten wir uns auch mal trauen, über Herausforderungen und Fehler zu sprechen. Das schaffen Vertrauen und lädt zu einem echten Dialog ein, der mehr wert ist als jede aufgebauschte Erfolgsgeschichte. Menschen möchten mit anderen Menschen in Kontakt treten, nicht mit einer überhöhten Darstellung eines „perfekten“ Lebens.
- Lernen und Entwicklung im Mittelpunkt: Statt ausschließlich Erfolge zu teilen, ist es sinnvoller, den Fokus auf den Lernprozess zu legen. Was hast du aus einer Herausforderung gelernt? Welche Erkenntnisse kannst du mit deinem Netzwerk teilen, die für andere ebenfalls von Wert sein könnten? Indem man auf diese Weise Wissen und Erfahrungen teilt, wird der eigene Beitrag für die Community relevanter und nachhaltiger.
- Wertschätzung und Teamarbeit betonen: Erfolge sind oft das Resultat eines guten Teams. Wer auf LinkedIn ausschließlich über eigene „Erfolge“ spricht, vergisst möglicherweise, die Rolle der anderen Beteiligten zu würdigen. Es ist immer wertvoll, auch die Teamarbeit und den kollektiven Erfolg zu betonen. Das zeigt nicht nur Demut, sondern stärkt auch das Gefühl der Gemeinschaft.
- Private und berufliche Grenzen respektieren: Es ist vollkommen in Ordnung, auch persönliche Erfahrungen zu teilen, solange sie authentisch und sinnvoll in den beruflichen Kontext eingebettet werden. Doch sollte immer darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer Vermischung von zu persönlichen oder trivialen Themen kommt. Die Verbindung von privaten Erlebnissen und beruflichen „Learnings“ ist nur dann wertvoll, wenn sie eine klare und nachvollziehbare Parallele zur Arbeit und Karriere zieht – und nicht nur als eine Art Selbstinszenierung im privaten Raum dient.
Titelbild: generiert mit Dall-E